Man nehme was man habe

"Man nehme, was man habe"

Asche auf mein Haupt ! Ein Faux-pas im Artikel: Kochen wie im Mittelalter

Heute gehen viele davon aus, dass alles zu jederzeit verfügbar ist. Erdbeeren im November, Mangos, die tags zuvor noch am Baum hingen, um fünf Minuten vor Geschäftsschluss beim Bäcker noch das gesamte Warenangebot oder das Argentinische Rindersteak täglich frisch in der Ladentheke.
 

Den Menschen im Mittelalter standen nicht alle Zutaten jederzeit zur Verfügung. Das galt nicht nur für Notzeiten oder Luxusartikel. Der Speiseplan war im Großen und Ganzen regional und saisonal. Im Sommer gab es "frisches" Gemüse und Obst, für den Winter wurde es haltbar gemacht. Milch wurde zu Käse verarbeitete. Fisch wurde eingesalzen, gebeizt oder getrocknet. Fleisch gesalzen, geräuchert aber auch gedörrt.

In den Kochbüchern finden sich auch Anweisungen für die Konservierung von Lebensmitteln - teilweise ganz Kapitel. Die Verfügbarkeit der Lebensmittel war beim Kochen der begrenzende Faktor, nicht das Handwerk.


Bei Fleisch gab es Wahlmöglichkeit von sogar unterschiedlichen Tierarten "Nimm Zicklein oder Lamm oder Kalb" oder  der selben "Familie": Enterich oder Ente, Gans oder Schwan – also Hauptsache ein Wasservogel.
Das offen bleibt, welches Teil zu verarbeiten ist, gibt es auch: „Nimm Schweinefleisch …“ Dies könne sein: Speck, Bug oder Kamm, wahlweise frisch oder vorher haltbar gemacht.


Die große Klammer über allem wieder: Man nehme, was man habe und das erschwert die Suche nach dem historischen Geschmack des Mittelalters. Die Veränderung einer Zutat wird den Geschmack des fertigen Gerichts beeinflussen. Systematisches Reihenkochen ist möglich und ein Aspekt bei der Erforschung der mittelalterlichen Küche.


Ich entscheide mich in der Regel für eine Möglichkeit der Interpreation und berücksichtige dabei Zeit, Region und Saison. Dabei muss nicht nur das Lebensmittel, sondern auch dessen Be- und Verarbeitung berücksichtig werden.

In diesem Punkt war mir ein Koch-Faux-pas unterlaufen. Asche auf mein Haupt! Fehler passieren.

Die Kombination der Konservierungstechniken Salzen und Räuchern bei Fleisch war im Mittelalter nicht üblich oder unbekannt. „Doppelt hält besser“ galt wohl nicht, auch wenn in Kochrezepten das mehrfache Verarbeiten von einem Lebensmittel die Regel ist. Warum soll das Prinzip nicht auch für das Haltbar machen gelte? Dass das gesalzenes und anschließend geräuchertes Fleisch (und im speziellen das Kassler *) erst in der Neuzeit „erfunden“ wurde, habe ich mir nie bewußt gemacht.  Jetzt weiß ich mehr!

Fazit: Wenn also das geplante Stück Salzfleisch nicht verfügbar ist (ein Paradoxon für diesen Artikel - es ist kaum zu glauben), dann gilt eben NICHT: Man nehme, was man (heute) habe, sondern - und das findet sich auch in den Rezepten: Ist eine Zutat nicht verfügbar, dann muss es halt ohne gehn!

Der Hinweis in der Bildunterschrift im Artikel, dass Kassler aus Verfügbarkeitsgründen verwendet wurde, hätte deutlicher sein können. Das habe ich korrigiert.

Liebe Leser! Wem etwas auffällt, wer andere, mehr oder aktuellere Erkenntnisse und Informationen hat, ist herzlich eingeladen sich zu melden. Mich würde das sehr freuen. Danke dafür, Claudia


*) vgl:  Lebensmittellexikon

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